Sneakers – faire Sneakers

Entgegen den Praktiken der Fast-Fashion-Industrie

Sneakers sind mehr als nur Schuhe, Sneakers sind Kultobjekte und eines der erfolgreichsten Marketingprodukte des modernen Kapitalismus. Sie stehen für grosse Lebensträume, für die Vision, dass man alles erreichen kann, wenn man nur entschlossen und mutig genug ist. Es gibt aber eine Kehrseite.

In dieser Traumfabrik für den reichen Westen arbeiten Menschen unter miserablen Bedingungen für einen Hungerlohn. Die Schuhindustrie ist längst bei den Praktiken der Fast-Fashion-Industrie angekommen. Spätestens in den 80er-Jahren ging es mit den Nike Air Jordans so richtig los mit dem Hype um die Sneakers. Die grossen Sneaker Brands butterten schon damals richtig viel Geld in die Vermarktung ihrer Schuhe und taten und tun sich heute noch mit grossen Stars zusammen. Es funktioniert, der Glanz färbt ab, Sneakers werden zu Liebhaber- und Sammlerstücken, für die manche Menschen bereit sind, hohe Summen Geld auszugeben.

Der teuerste Sneaker der Welt

2019 veranstaltet das Auktionshaus Sotheby's seine erste Auktion, die ganz den Sneakers gewidmet ist. Und zwei Jahre später, 2021, bricht Sotheby's jeden bisherigen Rekord und verkauft den Nike Air Yeezy 1, den Kanye West bei einem Auftritt an der Grammy-Verleihung trug, für 1,8 Mio. Dollar. Damit sind Sneakers nicht mehr nur Kultobjekt sondern werden zum Luxusgut oder sogar zur Geldanlage.

Nike Air Yeezy 1

Der Nike Air Yeezy 1 wird 2021 von Sotheby's für 1,8 Mio. Dollar verkauft © Sotheby’s

Die meisten Sneakers sind «fast» statt fair

Im krassen Gegensatz dazu steht die Wertschöpfungskette der Sneakers. Die Schuhindustrie ist längst zu den Praktiken der Fast-Fashion-Industrie übergegangen. Bezüglich der Arbeitsbedingungen und Reglementierungen hinkt die Schuhindustrie der Textilindustrie sogar noch um einige Jahre hinterher. Die meisten Sneakers werden möglichst billig produziert und dann zu Discountpreisen verkauft. Sie sind nicht auf Langlebigkeit ausgelegt sondern müssen vor allem den aktuellen Trends entsprechen  und die sind genauso kurzlebig wie die Schuhe selbst.

Woraus werden Sneakers gemacht?

Natürlich nicht nur aus Träumen, nein, Sneakers werden heute vorwiegend aus erdölbasierten Polymeren oder Kunststoffverbindungen hergestellt. Gemäss Veja liegt dieser Anteil bei satten 99%. Das Material wird für den gesamten Schuh eingesetzt, von der Sohle über das Obermaterial bis hin zum Schuhbändel. Der Vorteil des häufig verwendeten Polyurethans (P.U.) ist seine Beschaffenheit: Es sieht aus wie Leder, ist robust, aber viel günstiger. Der Nachteil: In der Herstellung ist das Material sehr CO2-intensiv. Und weil es sich um eine Verbindung aus verschiedenen Kunststoffen handelt, ist es nicht recycelbar.

Wo werden Sneakers hergestellt?

Ein Grossteil der Sneakers wird heute in Asien hergestellt. Genau wie bei der Herstellung von Kleidung werden aber auch bei Schuhen die Produktionsschritte auf verschiedene Länder rund um den Globus verteilt. Die arbeitsintensiven, repetitiven und schlecht bezahlten Arbeitsschnitte wie Zuschneiden, Nähen oder Kleben werden oft an Subunternehmen in Billiglohnländern ausgelagert. Absurdes Beispiel ist ein chinesisches Unternehmen, das eine Schuhfabrik in Äthiopien betreibt weil die Löhne dort weitaus tiefer sind als in China. Inklusive Überstunden kommt ein*e qualifizierte Arbeiter*in auf einen Monatslohn von knapp 45 Franken. Das reicht selbst in Äthiopien nicht zum Leben.

Wer verdient an einem Schuh?

Anteil der Lohnkosten am Verkaufspreis © Public Eye

Wie steht es um die Rechte der Angestellten?

Obwohl es auch in Produktionsländern wie China klare Vorgaben für Arbeitszeiten und Arbeitssicherheit gibt, halten sich viele Produktionsfirmen in der Sneakerindustrie einfach nicht daran. Die Arbeitstage sind zu lang, die Arbeiter*innen haben meist nur einen Tag pro Monat frei. Sie werden zu Überstunden gezwungen, mit denen sie zwar immerhin ihren unwürdigen Lohn ein wenig aufbessern können. Oft haben sie nicht einmal einen Arbeitsvertrag und somit auch keine Chance auf ein Mindestmass an staatlicher sozialer Absicherung oder gesetzlich vorgeschriebene Leistungen. Für Firmen, die so wirtschaften, ist es finanziell rentabler, zwischendurch eine Ordnungsbusse zu bezahlen, als ihre Bedingungen dauerhaft zu verbessern.

Viel zu tiefe Löhne als globales Problem

Die extrem tiefen Löhne in der Schuhindustrie sind ein globales Problem, das auch in Europa vorkommt. In Albanien, wo gern Schuhe «Made in Italy» zum Stanzen, Zusammennähen und Verkleben hingeschickt werden, verdienen Arbeiter*innen mit einem durchschnittlichen Monatslohn von 153 Franken sogar weniger als ihre chinesischen Kolleg*innen mit durchschnittlich 438 Franken.1

Schuhfabrik in Albanien

Eine Schuhfabrik in Albanien © Davide Del Giudice

Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem: Die gesetzlichen Mindestlöhne liegen selbst in einigen Ländern Europas viel zu tief, so dass sie nicht annähernd ausreichen für die Sicherung der Existenz mit einem Dach über dem Kopf und genügend Lebensmitteln für die ganze Familie. Eine vierköpfige Familie in Rumänien bräuchte beispielsweise fast den fünffachen Mindestlohn, um für alles Nötige aufzukommen.1

Kein ausreichender Gesundheitsschutz

Auch bezüglich Arbeitssicherheit gibt es Defizite. Ein Arbeitsschritt, bei dem die Arbeitssicherheit besonders relevant wäre, ist das Verkleben des Oberschuhs mit der Schuhsohle. Dazu wird auf beide Teile Klebstoff aufgetragen, der anschliessend in einem Ofen auf ca. 60°C erwärmt wird. Diese Kleber enthalten häufig Stoffe wie Benzol, Dichlorethan oder Hexan, die nicht eingeatmet oder über die Haut aufgenommen werden sollten, weil sie Krankheiten verursachen können. Zu ihrer Sicherheit müssten die Arbeiter*innen Handschuhe und Masken tragen. Weil sie damit aber langsamer arbeiten, verzichten sie lieber auf das Tragen der Schutzausrüstung.

Was machen nachhaltige Sneaker Brands anders?

Nachhaltige Sneaker Brands wie VejaFlamingo’s Life oder Saye haben ihre gesamte Wertschöpfungskette von Grund auf neu aufgebaut. Sie investieren viel Energie in die Entwicklung oder Findung neuartiger Materialien, die weder die Lederindustrie noch die Erdölindustrie unterstützen. Veja hat mit B-Mesh als erster Sneaker Brand ein Material aus recycelten Plastikflaschen eingesetzt. Flamingo’s Life und Saye machen ausschliesslich vegane Sneakers und verwenden dafür einen hohen Anteil pflanzenbasierte Materialien wie Bambus, Maisabfälle, Bio-Baumwolle oder Naturkautschuk für die Sohle.

Gewinnung von Naturkautschuk im Amazonas

Gewinnung von natürlichem Kautschuk im Amazonas durch einen Seringuero © Ludovic Carème

Fairness und Umweltschutz

Neben den Materialien stehen bei allen wirklich nachhaltigen Marken die sozialen Standards und der Umweltschutz im Fokus. Ihre Produktion soll weder den Menschen noch der Umwelt schaden. Veja kauft seine Rohstoffe beispielsweise direkt bei den Produzent*innen ein und sichert ihnen mit verbindlichen Verträgen einen fairen Handel zu. Saye setzt bei der Produktion vor allem auf möglichst lokale Unternehmen in Europa und pflanzt schon seit dem Anfang für jeden verkauften Schuh zwei Bäume. Flamingo’s Life produziert in traditionsreichen Schuhmanufakturen in Spanien und unterstützt soziale Projekte für eine sichere Trinkwasserversorgung, die Wiederaufforstung von Wäldern und die Säuberung der Ozeane.

Zertifizierungen und Transparenz

Faire Sneaker Brands legen offen, mit wem sie zusammenarbeiten und setzen sich für existenzsichernde Löhne, geregelte Arbeitsbedingungen und die Einhaltung der Sicherheitsmassnahmen ein. Zertifizierungen helfen, die hohen Standards weltweit zu etablieren und deren Einhaltung immer wieder zu überprüfen. Sie sind aber sehr kostspielig. Kleinere Unternehmen oder Produzent*innen können sich das manchmal nicht leisten. Transparenz bleibt deshalb als Nachweis für Nachhaltigkeit ein wichtiges Instrument.

Flamingo's Life Manufaktur

Die Schuhmanufaktur ist nur 40 km vom Flamingo's Life Hauptsitz entfernt © Flamingo’s Life

Gibt es komplett nachhaltige Sneakers?

Kritische Stimmen behaupten, es gebe gar kein Produkt, das zu 100% nachhaltig ist. So allgemein formuliert stimmt das nicht ganz, denn es gibt inzwischen sogar Produkte mit einer positiven Bilanz. Bezogen auf die Textil- und Schuhindustrie stimmt die Aussage jedoch zugegebenermassen.

Die Wertschöpfungsketten sind bei Schuhen und Mode oft so komplex, dass man sie gar nie ganz durchleuchten kann. Und nicht jedes Unternehmen hat die Möglichkeit, ihre Wertschöpfungskette von Grund auf neu aufzubauen. Aber Perfektion ist auch nicht das Ziel in der Fair-Fashion- und Schuhindustrie. Es geht um eine Annäherung und vor allem auch darum, die Schäden, die in diesen beiden Industriezweigen im Moment noch in hohem Ausmass entstehen, zu reduzieren.

Transparenz auch bezüglich der Limitierungen

Veja geht auch hier mit gutem Beispiel voran: Sie legen offen, wo bezüglich Nachhaltigkeit ihre Limits liegen. Das ist deshalb so gut, weil es die Komplexität der Wertschöpfungskette greifbarer macht und ein Gefühl dafür vermittelt, wie unfassbar viele Faktoren überhaupt mit einbezogen werden müssen, um ein komplett nachhaltiges Produkt zu erschaffen.

Es gibt noch viel zu tun, da sind wir uns einig, zusammen mit all jenen, die genau wissen, was für eine riesige Herausforderung der Wunsch nach vollständiger Nachhaltigkeit ist. Gleichzeitig sind wir allen Fair-Fashion- und Fair-Trade-Pionieren sehr dankbar für ihr grosses Engagement, weil sie damit einen wichtigen Prozess in Gang gebracht haben und nach und nach wirklich etwas verändern. Das braucht einfach Zeit und sehr viel Geduld.

Die Aufklärungsarbeit von Public Eye

Und falls du jetzt noch mehr über die Schuhindustrie und die Vorgänge darin erfahren möchtest, legen wir dir die wichtige Aufklärungsarbeit von Public Eye ans Herz. Sie haben 2017 ein ganzes Magazin mit wahnsinnig gut recherchierten und umfangreichen Hintergrundinformationen herausgebracht, das heute noch Relevanz hat: Das steckt in Ihren Schuhen