Hanf

Eine der ältesten Kulturpflanzen der Menschheitsgeschichte

Hanf ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der nachhaltigsten Kulturpflanzen der Menschheitsgeschichte. Schon 2800 v.Chr. wurden in China Seile aus Hanf hergestellt. Aufgrund ihrer berauschenden Wirkung spaltet die Wunderpflanze aber die Geister. Die einen verteufeln sie, die andern feiern sie.

Dabei geht gern vergessen, dass man mit Hanf so viel mehr anstellen kann, als ihn zu rauchen. Zum Glück ist sich das am Ändern und das grossartige Potenzial der Hanfpflanze wird wieder neu entdeckt. Seile, Segeltuch, Papier, Brennstoff für Öllampen und sogar die ersten Jeans wurden aus Hanf hergestellt. Gutenberg druckte seine Bibel auf Hanfpapier und in China erkannte man schon vor Jahrtausenden den Nährwert der Hanfsamen und nutzte sie als Lebensmittel. Kaum eine andere Pflanze ist so unkompliziert und ergiebig wie die Hanfpflanze. Man könnte sagen, Hanf ist nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der nachhaltigsten Kulturpflanzen der Menschheitsgeschichte.

Biologische Zeichnung einer Cannabis Sativa L.

Die wichtigsten Merkmale der Hanfpflanze

Wenn wir von Hanf sprechen, meinen wir den «Gewöhnlichen Hanf» oder auch «Echten Hanf», der mit lateinischem Namen Cannabis Sativa heisst. Er ist eine Pflanzenart aus der Gattung Hanf (Cannabis) und gehört zur Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae). Cannabis Sativa hat schmale Blätter und kann sehr hoch wachsen.  

Wo wächst Hanf? 

Ursprünglich kommt diese Hanfsorte in Thailand, Kolumbien, Mexiko und einigen Ländern Südostasiens vor. Die Pflanze gedeiht typischerweise in warmem Klima besonders gut. Sie wächst aber auch in Europa. Als Nutzpflanze wird Hanf vor allem in Polen, Ungarn, Rumänien, Deutschland, Niederlande und Frankreich angebaut.

Die aussergewöhnlichen Eigenschaften von Hanf:

  • Hanf wächst in 4 Monaten 4 Meter hoch.
  • Hanf trotzt jedem Wetter, wächst in jedem Klima und auf jedem Boden, er übersteht sogar Trockenperioden.
  • Die Hanfpflanze wird gern als Zwischenfrucht angebaut, weil sie saure Böden alkalisiert.
  • Hanf schützt sich selbst vor Schädlingen und Unkraut, weshalb beim Anbau keine oder kaum Pestizide zum Einsatz kommen.
  • Hanf liefert auf derselben Fläche zwei- bis dreimal so viele Fasern wie Baumwolle.
  • Im Vergleich zu Holz ergibt Hanf auf gleich grosser Fläche angebaut vier- bis fünfmal mehr Papier.
  • Weil die Hanffaser so reissfest ist, lässt sich Hanfpapier öfter recyceln als Papier aus Holz.
  • Gutenberg druckte seine Bibel auch auf Hanfpapier, die Herstellung von Papier aus Holz war damals noch gar nicht möglich.
  • Segeltücher aus Hanf sind besonders widerstandsfähig und nehmen weniger Wasser auf als Baumwolle. Baumwollsegel können bei Regen so schwer werden, dass die Masten unter ihrem Gewicht brechen.
  • Die leicht zu gewinnenden Hanfsamen enthalten hochwertige Proteine und sind deshalb ein wertvolles Nahrungsmittel.
  • In der Autoindustrie werden Hanffasern für die Auskleidung von Autos und teilweise sogar für Karosserieteile benutzt. Ganz nach dem Vorbild des «Hemp Cars» von Henry Ford, bei dem sogar der Motor mit Hanföl betrieben wurde.
  • Textilstoff aus Hanf wurde gern für Arbeitskleidung genutzt, weil er extra robust und langlebig ist.
  • Die Faser konnte früher jedoch nur in Handarbeit gewonnen werden und der Stoff, der daraus entstand war sehr kratzig.

Die Verteufelung der Hanfpflanze

Die Hanfpflanze hat wahnsinnig viel zu bieten. Wie ist es also möglich, dass sie als Nutzpflanze so lange in Vergessenheit geraten ist? Der gute Ruf der Hanfpflanze wird zum ersten Mal im Mittelalter ruiniert. Aufgrund ihrer berauschenden Wirkung wird die Pflanze von den Christen verteufelt. Sie setzen den Gebrauch von Cannabis mit satanischen Riten gleich. 1448 erklärt Papst Innozenz VIII den Konsum von Cannabis zur Freveltat.

Hanf verbreitet sich über die Kontinente

Die Verbreitung der Hanfpflanze über die Kontinente geht dennoch weiter. Kolumbus bringt Hanfsamen und Hanftextilien mit nach Amerika. In der Seefahrt wird weiterhin Hanf für Segeltücher und Tauwerk verwendet. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts der indische Lebensstil in Europa modern wird, entdeckt die westliche Welt die psychotrope Wirkung von Cannabis wieder. In Paris treffen sich Dichter*innen und Künstler*innen zum Haschischrauchen. Auch Königin Viktoria von England soll eine Anhängerin gewesen sein, angeblich hat sie ihre Menstruationsbeschwerden mit Haschisch gelindert.

Zum Ende des 19. Jahrhunderts bringen indische Einwandernde die Hanfpflanze nach Mexiko, wo sie den Namen Marihuana erhält. Die Mexikaner*innen übernehmen die indische Methode des Röstens zur Vorbereitung der Fasern und machen daraus Hüte, Taschen und Teppiche. Als Droge wird die Hanfpflanze damals vor allem von den Arbeiter*innen auf den Baumwollplantagen im Süden der USA genutzt, die unter katastrophalen Bedingungen lebten.

Die Baumwollindustrie kriminalisiert Hanf

Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Gegenwind richtig stark. In den USA gelten erste Verbote, mit Unterstützung der Baumwollindustrie wird Hanf für illegal erklärt. Gegen den Aufschwung von Baumwolle kommt Hanf aber auch sonst nicht an. Baumwolle kann schon früh maschinell verarbeitet werden. Die Beschaffenheit von Baumwollstoff ist angenehmer als die der kratzigen Hanftextilien. Der Hanfanbau nimmt im 20. Jahrhundert in Europa stark ab. Lediglich während des 2. Weltkriegs wird zwischenzeitlich wieder Hanf angebaut, der zur Herstellung der Uniformen für die Soldaten genutzt wurde.

Comeback von Hanf in Europa

Erst Anfang der 1990er Jahre erlebt Hanf in Europa sein Comeback. Dank der Züchtung von Hanfsorten mit sehr geringem THC-Gehalt darf Hanf als Nutzpflanze wieder legal angebaut werden. Seither wird in der Textilindustrie an Methoden geforscht, wie die Hanffaser industriell gewonnen werden kann. Und zwar in einer Qualität, die nicht mehr so kratzig ist, wie man es von Hanftextilien bisher gewohnt war.

Hanftextilproduktion bei Hemp Fabric UK

Hanftextilproduktion bei Hemp Fabric in England © by Hemp Fabric

China baut Anbaufläche für Hanf aus

An dieser Stelle kommt China ins Spiel. In China wurde der Hanfanbau nämlich nicht so restriktiv gehandhabt wie in Europa. Im Gegenteil, die Anbaufläche von Hanf ist in China in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Textilmanufakturen in China nach guten Alternativen für Baumwolle suchen. Baumwolle verursacht durch ihren hohen Wasserbedarf, die Versalzung der Böden und den Pestizideinsatz zunehmend Umweltprobleme. Bezüglich Qualität und Preis ist die chinesische Baumwollproduktion ausserdem nicht mehr konkurrenzfähig.

Vorsprung durch jahrzehntelange Erfahrung

Der Preisdruck ist in der Textilindustrie sehr hoch. Inzwischen gibt es Entwicklungsländer, in denen billiger produziert wird, als in China. Gleichzeitig werden die Regulationen bezüglich Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in China strenger und die Regierung bemüht sich mehr und mehr darum, deren Einhaltung zu überprüfen. 

Gegenüber den meisten anderen Produktionsländern hat China aber einen entscheidenden Vorteil: Die über Jahrzehnte aufgebaute Expertise. Auf diesen Vorteil besinnen sich immer mehr chinesische Unternehmen. Sie bauen ihre Innovationskraft aus und nutzen diese Expertise zur Entwicklung neuartiger Materialien und nachhaltiger Herstellungsprozesse. 

Baumwollproduzenten schaffen die beste Hanfqualität

So ist es auch in der Hanftextilproduktion passiert, wo China zum Vorreiter geworden ist. Ursprüngliche Baumwolltextilfabriken haben es geschafft, Stoffe aus Hanf in einer hohen Qualität herzustellen. Dank dem Einsatz von Enzymen können sie die langen, kratzigen Faserbündel zu einem weichen, formechten und langlebigen Stoff verarbeiten. Die Vorteile der Hanffaser gehen dabei nicht verloren. Der Stoff ist im Sommer kühlend und bei kühlen Temperaturen wärmend, sehr widerstandsfähig und schützt vor UV-Strahlen.

Als Anbauland für Hanf bietet China den Rohstoff für die Produktion der Stoffe gleich selbst. Auf Wunsch auch in zertifizierter Bio-Qualität. Am Beispiel Hanf zeigt sich also, dass in China durchaus eine nachhaltige Wertschöpfungskette entstehen kann. Und das wiederum kann auch für Fair Fashion Brands in Europa attraktiv sein. Die Expertise, die chinesische Produktionsfirmen bereits haben, müssen wir in Europa erst aufbauen. Auch mit dem technischen Vorsprung, den wir gegenüber China haben, lässt sich dieser Rückstand nicht ausgleichen.

Die Schattenseite des neuen Aufschwungs

Ganz ohne Vorsicht ist das alles aber nicht zu geniessen. Diese Marktentwicklung birgt gewisse Risiken. Wo ein Markt aufgrund von Nachfrage wächst, wird häufig getrickst. Und China ist bekannt für seine einfallsreichen Täuschungs- und Vertuschungsmanöver. Deshalb ist es wichtig, die Angaben der Produktionsfirmen zu prüfen. Einige der offiziellen chinesischen Hanftextilproduzenten schwindeln zum Beispiel bezüglich des Hanfgehalts in ihren Textilien. Aus ihrer Produktion machen sie gerne ein grosses Geheimnis.

Chinesische Firmen, die mit gutem Beispiel vorangehen, können den Markt in China hingegen verändern. Sie nehmen sich einen der Grundsätze der Nachhaltigkeit zu Herzen und schaffen Transparenz: Sie legen ihre Produktionsprozesse offen und halten bezüglich der Zusammensetzung ihrer Textilien, was sie versprechen, ohne Etikettenschwindel. Solche Firmen gibt es und sie können auch für uns in Europa als gutes Beispiel dienen. In jedem Fall ist zu hoffen, dass die Hanfpflanze in naher Zukunft wieder als die grossartige Ressource geschätzt und genutzt wird, die sie eigentlich ist.

Lavie Lotta Undyed

Kissenbezug Lavie Lotta aus Hanf in der ungefärbten Version. Die Beschaffenheit des Stoffs erinnert an Leinen. © by Lavie

Coole Fair Fashion aus Hanf

Ein Anfang macht zum Beispiel Thinking Mu, sie nutzen Hanftextilien für T-Shirts und haben auch Denim aus Hanf zurückgebracht. Die Produktionsfirma in China, mit denen Thinking Mu zusammenarbeitet, macht ausschliesslich Textilien aus Hanf und Recyclingmaterialien. Die Materialien aus Hanf sind alle OCS-zertifiziert (Organic Content Standard).

Armedangels zieht nach und mischen ihre Denims ebenfalls mit Hanf. Und Lavie hat mit Lotta eine Bettwäschekollektion aus Hanf lanciert. Sie beziehen den Stoff aus China, produzieren jedoch auch die Lotta Kollektion mit ihrem langjährigen Produktionspartner in Portugal.